Eine Gruppe legt die Hände in ihrer Mitte aufeinander

Aktiv handeln: Menschenfreundlich leben.

Bild: sheriyates auf pixabay

Kirche gegen Rechtsextremismus

Handeln

Kirche kann als Ort der öffentlichen Verständigung in der Zivilgesellschaft und zwischen unterschiedlichen politischen und sozialen Initiativen gegen Rechtsextremismus agieren.

Wir als evangelische Kirche sagen Ja zu Gottes gelebter Menschenfreundlichkeit und Nein zum Rechtsextremismus. Wir sind aktiv. Und: Wir sind dabei, noch weiter zu lernen. Wir empfehlen zu handeln: reaktiv, präventiv und proaktiv.

  • Argumentieren - und dabei sachlich bleiben
  • Aufklären – und dabei Menschen mitnehmen und überzeugen
  • Aktionen durchführen – und dabei Toleranz leben
  • Solidarität zeigen – und damit Vielfalt konkret machen
  • Best-Practice-Beispiele austauschen – und so von anderen lernen
  • Vernetzen – und damit schneller handlungsfähig werden

Wir handeln auf dreifache Weise

1. Reaktiv

Etwa bei Aktionen gegen „Rechts“, die auch mit finanziellen Mitteln unterstützt werden aus dem Referat Diakonie und gesellschaftsbezogene Dienste im Landesirchenamt, oder im Bereich der Seelsorge und mit klaren öffentlichen Äußerungen von Repräsentanten der Landeskirche und der Diakonie.

„Rechtsextremismus ist kein Phänomen, das sich auf einige Wenige beschränken lässt. Die Arbeit gegen rechts in vielen Bündnissen – vor Ort und landesweit – ist dabei zentral“, so Martin Becher, Geschäftsführer des Bayerischen Bündnisses für Toleranz. An mehr als 100 Orten in Bayern gibt es Bündnisse und Initiativen gegen rechts. Die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus, die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg und das Bayerische Bündnis für Toleranz stehen in Kontakt zu den vielen Bündnissen und können Ihnen die Ansprechpartner in Ihrer Nähe vermitteln. Adressen und Infomaterial finden Sie im PDF Informationspool Rechtsextremismus.

Initiativen gegen Rechtsextremismus

Beispiele für Initiativen sind das Fußballfest gegen Rassismus "Bunt ist cool", der Wilhelm-Freiherr-von-Pechmann-Preis, der Erinnerungstag im deutschen Fußball, der Spendenlauf rechts gegen rechts und vieles mehr.

Zuschüsse „Initiativen gegen Rechtsextremismus“ durch die ELKB

Für Kleinprojekte beziehungsweise Aktionen gegen Rechtsextremismus und für Menschenwürde ist beim Landeskirchenamt ein Sonderzuschusstopf geschaffen worden. Es können Beträge bis zu 1.000 Euro beantragt werden. Gefördert werden:

  • theologische Angebote
  • Bildungsmaßnahmen in Kirchengemeinden, Dekanatsbezirken, Erwachsenenbildungseinrichtungen und Schulen
  • Begegnungen von Erwachsenen und Jugendgruppen
  • thematische Tagungen, Aktionen oder Demonstrationen gegen Rechtsextremismus
  • kulturelle Aktivitäten
  • Kreativangebote (Theater, Kabarett, Filmprojekte, etc.)
  • Fahrten zu Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager, Dokumentationszentren, Themen- oder Sonderausstellungen (Fahrkostenerstattung)
  • Einladungen von Zeitzeugen / Erinnerungskultur
  • öffentlichkeitswirksame Materialien
  • Materialien für Infostände und Veranstaltungen

Kontakt: Kirchenrätin Bettina Naumann, E-Mail: bettina.naumann@elkb.de

2. Präventiv

Vor allem im pädagogischen Bereich von der Kita, über Schule, Jugendarbeit, Konfirmandenunterricht bis hin zur Erwachsenenbildung. Indem wir ausgehend vom biblisch-christlichen Menschenbild Haltungen des Respekts und des würdevollen Umgangs mit andern prägen.

Kompetenzen für Menschenfreundlichkeit fördern

Evangelische Bildung verbindet die zentrale Dimension des Kompetenzerwerbs mit dem spezifischen Anspruch des Evangeliums. Das Evangelische bedeutet mehr als eine strukturelle Anbindung zur evangelischen Kirche. Das ‚Evangelische’ bezeichnet vielmehr eine Basis aller Normen und Werte, einen Maßstab und Anspruch, der in Themen, Zielen, Inhalten und Methodik der Bildungsarbeit Gestalt gewinnt.  ‚Evangelisch’ meint: auf das Evangelium bezogen, in ihm gegründet, von ihm inspiriert, an ihm orientiert. Die christliche Liebe (Agape) als menschliche Antwort auf Gottes Liebe wird als zentrale Norm eines evangelischen Argumentierens, Urteilens, Entscheidens und Handelns verstanden. Somit ist der Aufruf zu menschenfreundlichem Handeln bei der Vermittlung unseres Glaubens ein zentrales Element, das unser Leben prägt: beginnend in der Kindheit, prägend im Jugendalter und begleitend während der Erwachsenenzeit bis hin zum Seniorenalter.

Bereits im Kindergarten und in der Grundschule sind die Vermittlung unseres Glaubens und seiner Grundsätze sowie die Einübung einer menschenfreundlichen Einstellung elementar. Bei einer angemessenen und altersgemäßen Behandlung des Themas „Rechtsextremismus“ kann es im Kindes- und Kleinkindalter nicht um eine kognitive Auseinandersetzung mit rechtsextremen Ideologieelementen gehen. Zu fördern sind soziale wie individuelle Kompetenzen, die gegen Rechtsextremismus wappnen und fit für das Leben machen. So werden zum Beispiel Empathie, soziale Offenheit, Neugier, die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, Altruismus, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, allgemeine Widerstandsfähigkeit (Resilienz) und ein angemessenes Selbstwertgefühl früh entwickelt. Ebenso sind ein ausgeglichenes emotionales Klima und Bezugspersonen grundlegend, die feinfühlig und rücksichtsvoll auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen eingehen. Darüber hinaus können Vorurteile durch Begegnungen, Erkunden und Erleben abgebaut werden (vgl. die so genannte Kontakthypothese von Gordon Allport). Damit kommt der Kindertagesstätte und der Schule, neben der Familie, eine wichtige Vermittlungsrolle zu.

Bei der Identitätsentwicklung junger Menschen hin zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten kommt dem Erwerb demokratischer Haltungen eine besondere Bedeutung zu. Dabei spielen non-formale Bildungsorte, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen, eine große Rolle. In einem Angebotsmilieu, das gekennzeichnet ist von Partizipation oder Selbstorganisation, erwerben Jugendliche Kompetenzen wie zum Beispiel Kooperations- und Diskussionsfähigkeit und lernen, Haltungen wie die Gleichwertigkeit von Menschen oder das Prinzip der Gewaltfreiheit in selbständiges Handeln umzusetzen.

Rechtsextremismusprävention ist bei Jugendlichen und Erwachsenen dann besonders erfolgreich, wenn kognitive, emotionale und handlungsorientierte Ansätze zusammenwirken.  Ein kognitiver Kompetenzerwerb, also die faktenbezogene Auseinandersetzung mit Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, ist ab dem Jugendalter nötig. Zentrale Anliegen der kognitiven Auseinandersetzung sind: kritische Auseinandersetzung mit Ideologien, die Entwicklung eigenständiger Urteilsfähigkeit und Kritikfähigkeit sowie die Bereitschaft, politische und soziale Verantwortung zu übernehmen. Auch das Einüben einer Wahrnehmungs- und Reflexionskultur wird mit dem Jugendalter möglich.

Zur kognitiven Auseinandersetzung gehören etwa: (a) Analysen zu Ursachen von Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit (etwa Bindungsstörungen in der Kindheit oder Gefühle der Benachteiligung und Orientierungslosigkeit). (b) Analysen zu Folgen rechtsextremer Orientierungen für die Gesellschaft, darunter zu den Auswirkungen auf diejenigen, die zum Ziel rechtsextremer Aggression werden. (c) Klärend sein kann auch die kritische Auseinandersetzung mit den Programmen und Zielen rechtsextremer Gruppierungen, da hier der Kontrast zum christlichen Menschen- und Gesellschaftsbild offenkundig wird. (d) Um die menschenverachtende Ideologie des Rechtsextremismus rechtzeitig erkennen und abweisen zu können, kann zudem eine Auseinandersetzung mit Argumentations- und Werbestrategien der rechtsextremen Szene ertragreich sein.

Damit Rechtsextremismusprävention ganzheitlich wirken kann, ist es über diese Form der Kompetenzvermittlung hinaus notwendig, Jugendlichen Lernorte für demokratisches und tolerantes Verhalten zur Verfügung zu stellen.

Kirche kommt bei der Wertevermittlung eine Schlüsselfunktion zu, weil sie eine Vielzahl von Menschen erreicht: Menschen in den Gemeinden und von hier aus in diversen Gruppen; in Arbeitskreisen und Verbänden; in der Familien- und Erwachsenenbildung; in Hochschulen und Akademien; Kinder und Jugendliche in allgemeinbildenden Einrichtungen (Kindertagesstätten, Schulen, Religionsunterricht) und in der Jugendarbeit, sowie Menschen in der Diakonie – hier nicht zuletzt in der Beratung.

Kirche kann so für die Gesamtgesellschaft wesentliche Impulse geben, denn sie überwindet die Grenzen gesellschaftlicher Milieus. Gerade auch verunsicherten und ängstlichen Personen kann sie mit ihrem Glauben, der sich aus einem menschenfreundlichen und integrativen Menschen- und Gesellschaftsbild speist, Orientierung bieten.

Gleichwohl gilt es, menschenfreundliche Werte auch erlebbar zu machen, indem Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, die Möglichkeit haben, zu partizipieren und selbst mitzugestalten. Dabei ist es wichtig, Menschen für das Leben in einer pluralen und diversen Gesellschaft zu öffnen und sie dazu zu befähigen, Konflikte auszuhalten und sich kritisch mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Insgesamt gilt es, die soziale und emotionale Persönlichkeit und Kompetenz jedes Einzelnen wahrzunehmen und zu stärken.

Ein respektvolles Verhalten allen anderen gegenüber ist allerdings die Grundvoraussetzung.

3. Proaktiv

Proaktiv - indem wir uns besser vernetzen, um selbst schneller informiert, zugerüstet und handlungsfähig zu sein. Beispielsweise konnten in den vergagenen Jahren viele Haupt- und Ehrenamtliche in den Kirchengemeinden dabei helfen, Flüchtlinge willkommen zu heißen, ihnen den vorübergehenden Aufenthalt zu erleichtern und auch bei der Integration einen Beitrag zu leisten. Es sind vielerorts die Kirchen, die sich öffentlich klar gegen Angriffe auf das physische und psychische Wohlbefinden der Flüchtlinge positionieren. Es gibt einen breiten Konsens dafür, gegen rassischtische und rechtsextreme Scharfmacher und Terroristen einzutreten.

10.02.2020
ELKB