Argumentieren gegen rechtsextremistische Äußerungen und Stammtischparolen
Bild: elj
Kirche gegen Rechtsextremismus
Argumentieren
Rechtsextremes Gedankengut ist für manche immer noch attraktiv. Warum? Hannah Arendt führt in ihrer Analyse des scheinbar Unbegreiflichen im 20. Jahrhundert die alles erschütternde Erfahrung der „Verlassenheit des Menschen“ als wichtigen Grund an. Erfahrungen der Hilflosigkeit in scheinbar undurchschaubaren Zusammenhängen, Erfahrungen von Ohnmacht gegenüber einer zunehmenden Entscheidungskomplexität, auch Erfahrungen von Bedeutungslosigkeit der eigenen Existenz. Auf der anderen Seite steht das Angebot der Rechtsextremen: klare Identifikationsangebote, einfach verständliche und plakative schwarz-weiß-Bilder von Gut und Böse.
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Bibel: 2. Timotheus 1,7
Diese formulieren eine einprägsame Anklage gegen die angeblich Verantwortlichen für individuelle und gesellschaftliche Leiden und entheben damit den Einzelnen seiner Verantwortung. Sie weisen dabei klar Schuld zu, oft gegen die Schwächsten der Gesellschaft. Sie schlagen schlichte Lösungen für individuelle und gesellschaftliche Probleme vor, die von Hass gespeist sind.
Unsere Botschaft des Evangeliums negiert Erfahrungen der Verlassenheit oder Ohnmacht nicht, sie richtet sich auch an Menschen, die in der Vergangenheit aggressiv oder gewalttätig waren. Sie bietet einen reichen Schatz an Sprache, Bildern, Liedern, Symbolen und Handlungsmustern aus dem gemeinsamen Gedächtnis der Christenheit an und findet diese auch für Umkehr und Vergebung, Hoffnung, Aufbruch und Zukunft.
Argumentieren gegen rechtsextremistische Äußerungen und Stammtischparolen
Es gibt zahlreiche Situationen, in denen mit platten Sprüchen, Parolen und Vorurteile oft beiläufig und ungeniert geäußert werden. Hemmschwellen, diese zu äußern fallen nicht nur an Stammtischen oder in sozialen Netzwerken. Treten Sie dem mutig und besonnen entgegen!
Hoffnungsbäume pflanzen
"Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, soll Martin Luther einst gesagt haben. Pflanzen sie virtuell ein Apfelbäumchen gegen die Angst und sehen, wie Plantagen der Hoffnung entstehen.
Drei kleine Schritte zur Reaktion
Die Analyse der Lage ist für die angemessene Reaktion unerlässlich. Dies geschieht einerseits unterbewusst. Andererseits kann durch gezieltes Innehalten, trotz teilweiser emotionaler Betroffenheit, der automatisierte Bewertungsprozess gestoppt werden und bewusst gehandelt. Tipp: Atmen Sie durch und zählen innerlich bis zehn.
Fühlen Sie sich ermutigt, gegen menschenverachtende Äußerungen und Handlungen einzutreten. Machen Sie sich klar, für was Sie stehen (Normen und Werte) und handeln Sie nur so, wie Sie es sich zutrauen (Selbstschutz-Fremdschutz).
Dazu empfehlen sich folgende Überlegungen:
- Einschätzung der Äußerungen: sind Zeit/Ort gezielt gewählt oder ist es eine spontane Äußerung? Geschieht sie unter vier Augen oder vor einer Gruppe? Wer ist mein Gegenüber?
- Motiv der Äußerung nachgehen: wird sie aus Frust getätigt? Liegt tatsächlich ein Wunsch nach inhaltlicher Auseinandersetzung vor oder sollen Grenzen ausgetestet werden? ODER ist es ein eindeutiges menschenverachtendes, pseudopolitisches Statement?
- Klärung des eigenen Zieles: wollen Sie „den_die_Urheber_in der Äußerung erreichen oder Dritte? Dritte vor möglicher Verletzung schützen oder Ihre Solidarität mit Betroffenen zum Ausdruck bringen? … Signalisieren, dass Sie eine klare andere Haltung haben und die getätigte Äußerung nicht diskussionswürdig ist? Eine Grenze setzen …? Durch inhaltliche Auseinandersetzung die Einstellung verändern?“ (Umgang mit rechten Äußerungen. Hechler, Debus, Stützel, 2015).
Nicht belehren, nicht moralisieren – Die ELKB hat hat in "Nicht belehren, nicht moralisieren" wichige Argumentationshilfen nach Prof. Klaus Hufer zusammengestellt.
13.08.2018
Jürgen Kricke